Seit wir in UK&Irland unterwegs
sind, spüren wir die weit verbreitete Ablehnung gegenüber der
EU. Bedingt durch die EU-Parlaments-Wahl kam das Thema wahrscheinlich
noch öfter als üblich auf und war ständiger Begleiter bei
Gesprächen mit Engländern oder Iren, oft beginnend mit dem Satz „so
what are you thinking about the European Union then?“.
(Vermeintlich) zu viel Regulierung und Gleichmacherei aus Brüssel
und der Wunsch nach mehr Eigenständigkeit (Bayern würden sagen „mir
san mir!“) ist es, was das Bild prägt, das viele unserer
Gesprächspartner bezüglich der EU haben. Wir hielten zwar nicht mit
unserer, der EU deutlich positiveren Grundhaltung, hinterm Berg, aber
z.B. unser Wunsch nach mehr Abstimmung der Saaten in der
Steuerpolitik, um Steuersparmodelle a lá Amazon, Starbugs & Co.
zu bekämpfen verfing offensichtlich nicht. Auch bei der
Umweltpolitik täte ja mehr Zusammenarbeit dringend Not, um ein
gegenseitiges aufeinander Zeigen und Unterbieten in den
Umweltstandards zu unterbinden. Statt dessen hat sich aber z.B. ein
Campingplatzbesitzer beklagt, dass die EU es verbietet im
Nationalpark Torf zu stechen...?! Wir wissen noch nicht einmal, ob
wirklich die EU das verbieten musste, denn was soll das denn für ein
Nationalpark sein, in dem sogar die Moore platt gemacht werden
dürfen?
Anders scheint es in Schottland zu
sein: Hier ist die Zustimmung zur EU wohl ausgesprochen hoch und
gerade das ist ein Argument für die Befürworter der Unabhängigkeit
Schottlands: „Wir müssen uns von England abspalten, damit wir in
der EU bleiben können“, wird argumentiert und angesichts der
aktuellen Diskussionen nach der EU-Wahl ist das ja noch nicht mal
sooo abwegig. Um ehrlich zu sein ist unser Unverständnis gegenüber
dem Wunsch zur Unabhängigkeit Schottlands nach ein paar Diskussionen
mit Befürwortern etwas verblasst und wir können auch deren
Argumenten etwas abgewinnen. Die Unabhängigkeit Schottlands ist
ständiges Thema, weil hier am 18. September in einem Referendum
darüber entschieden wird – nach Meinung vieler die wichtigste Wahl
für und seit Jahrzehnten. Stimmt die Mehrheit dafür, würde
Schottland tatsächlich ein vollständig autonomer Staat, der
Mitglied von EU und UN werden würde, also nicht bloß ein
Bundesstaat mit mehr Eigenständigkeit, wie wir zunächst dachten.
Naheliegend ist der Gedanke, dass der
Wunsch, die schottischen Traditionen zu wahren, treibender Faktor bei
den Befürwortern für die Unabhängigkeit ist, aber das ist es nicht
alleine. Schottland wählt wohl seit langer Zeit „links“, während
mit Ausnahme von Tony Blair ständig die Tories regieren. Da
nur 5 Mio. Schotten ca. 50 Mio. Engländern gegenüber stehen, haben
daher viele Schotten den Eindruck, dass sie von denen aus London
(alleine im Großraum London leben ca. 20 Mio. Menschen) mit ihren
radikal-kapitalistischen Sichtweisen regelmäßig überstimmt werden
und daher „die in London“ entscheiden, was hier in den Highlands
zu passieren hat. Wir kennen das ja aus Braveheart :)
Steve, ein Freund, bei dem wir seit ein
paar Tagen Unterschlupf gefunden haben, ist wahrscheinlich
Grünen-Wähler und Anhänger der Unabhängigkeit. Er hat ein paar
Jahre in Norwegen gelebt und argumentiert, dass Norwegen lange auch
nicht unabhängig gewesen ist und auch nur 5 Mio. Einwohner hat. Und
wer würde in Frage stellen, ob Norwegen die notwendige Größe hat,
um einen eigenständigen Staat zu bilden?
Das Wesentliche was wir dem entgegen
halten können, ist ein Gefühl, dass Völker eher zusammen arbeiten
sollten, als sich in der Kleinstaaterei zu verlieren. Wenn es einem
aber so ergeht, wie es die Schotten meinen, wieso dann in eine
Gemeinschaft zwingen, die man nicht haben mag? Wir sind jedenfalls
sehr gespannt, wie diese Wahl ausgehen wird!
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